grünes blatt 1/2-96 - Leserbrief In Sachen Castor:
Greenkids besuchten Castor-Demo
Als am 4.Mai, einem Samstag, die Auftaktkundgebung zur Castor-Aktions-Woche
begann, waren nahezu zehntausend Demonstranten aus dem gesamten Bundesgebiet
nach Dannenberg gekommen, um gegen die Einlagerung des Castors zu
protestieren.
Auch die Greenkids waren an diesem wichtigen Tag mit Vertretern dabei. Als
einer der Teilnehmer an der Großdemo werde ich hier versuchen, von unseren
Eindrücken und Erlebnissen zu berichten.
Wir hatten natürlich schon vor unserem Besuch im Wendland gewußt, daß fast
ganz Lüchow-Dannenberg gegen den Castor kämpft, doch war es trotzdem
ungeheuer beeindruckend, die vielen Plakate, die fast in jedem Fenster
hingen, und die Aufkleber an nahezu jedem Auto zu sehen. Aber den größten
Eindruck auf mich machten die vielen Bauern mit ihren Traktoren. Sie kamen
in einer langen Kette von weit über hundert Fahrzeugen, die kein Ende zu
nehmen schien.
Um so schlimmer empfand ich es dann, zu sehen, wie gewaltvoll vom Staat aus
versucht wurde, gegen jeden Widerstand den Castor durchzuschlagen. Das nahm
an diesem Tag vor allem in Karwitz besonders schlimme Ausmaße an.
Kurz vor der Beendigung der Großdemo in Dannenberg erfuhren wir, daß an
diesem Vorort von Dannenberg mehrere hundert Castorgegner vom BGS auf den
Schienen der Castor-Strecke eingekesselt worden waren. Wir folgten dem
Aufruf, nach Karwitz zu fahren, um den Eingekesselten zu helfen.
Die Polizei hatte das Gebiet vorsorglich weiträumig abgeriegelt und hielt
alle Autos an, die in Richtung des Orts des Geschehens wollten. Trotzdem
gelang es vielen, bis Karwitz vorzudringen und dann zu Fuß bis zu den
Schienen zu kommen.
Durch den Wald konnten wir schon von weitem die Blaulichter von dutzenden
von Polizeifahrzeugen sehen. Als wir bis an den Kessel des BGS vorgedrungen
waren, sahen wir die Demonstranten, die zum Teil schon in zwei große
Gefangenentransporter der Polizei geladen worden waren. Einige andere
standen noch außerhalb, umzingelt von BGS-Beamten.
Von der ständig größer werdenden Zahl der hinzugekommenen Demonstranten aus
Dannenberg wurde die Freilassung der Gefangenen gefordert, da das Vorgehen
der Polizei in keinem Verhältnis zur beschuldigten Tat stände. Als von deren
Seite keine Reaktion kam, begann man, die Zufahrtswege zu blockieren, um den
Abtransport der Gefangenen zu verhindern.
Doch statt zu verhandeln, kam die Polizei jetzt mit Räumpanzern und
Wasserwerfern und "schoß" sich den Weg frei. Damit brachte sie einen Stein
ins Rollen, dessen Auswirkungen später in der Presse mit "Ausschreitungen"
umschrieben wurden, denn einige Vermummte drehten plötzlich durch, griffen
zu Steinen und warfen sie in Richtung der Räumfahrzeuge.
Hätte die Polizei weiter verhandelt, hätte sie es sich nicht so einfach
gemacht, Wasserwerfern einzusetzen, sondern hätte sie Demonstranten wie
letztes Jahr weggetragen, es wäre gewiß nicht zu derart gewalttätigen
Auseinandersetzungen gekommen!
Magdeburg, im September 1996
Falk Beyer, Pressesprecher Greenkids Magdeburg
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