grünes blatt 1/2-96 - Kommentar:
Entwicklung auf Kosten der Umwelt?
Seit es den Menschen gibt, zerstört er in einem ungeheurem Maße seine
Umwelt. Seine Schadensanrichtung steht in keinem Verhältnis zu den
normalen "biologischen Verhaltensformen", denn es gibt nichts, vor dem
wir nicht zurückschrecken. Seit der Deutschen Wiedervereinigung wird
in den neuen Bundesländern gebuddelt und betoniert, gestrichen und
saniert. Eine Modernisierung folgt der anderen. Wo früher einst der
Reiher nistete, entsteht eine Autobahn. Begründet durch den, unbestreitbar
wichtigen, "Aufschwung Ost", werden blindlings Baugenehmigungen
unterzeichnet. Alleebäume müssen weichen, Grünflächen in der Stadt
werden zubetoniert und die Autos sollen in der Stadt zügig durchrasen.
In den alten Bundesländern klagt man heute über die Vertreibung der Natur
aus der Stadt und versucht mit Pilotprojekten, Lösungen für Smog und Dreck
zu finden. Im Osten Deutschlands zählt unbeachtet der vor zwanzig Jahren
im Westen gemachten Fehler nur die Ökonomie. Wirtschaft zu Lasten der
Umwelt. Ist das nachhaltige Entwicklung? Wer wagt es, daran zu zweifeln?!
Wie kann man am "Aufschwung Ost" Kritik üben?
Ungeachtet aller Folgen dieser kurzsichtigen Entwicklung wird man erst in
einigen Jahren merken, daß die Parkhäuser in der Stadt komischerweise ja
nur zu max. 45% ausgelastet sind. Und dann schließt man das Parkhaus,
weil die Einnahmen die Unkosten nicht decken und ein riesiger Betonklotz
steht ganz allein im schönsten Eckchen der Stadt.
Ist denn den Politikern nicht klar, daß eine "nachhaltige Entwicklung",
die der "Aufbau Ost" ja darstellen soll, nur erfolgen kann, wenn man bei
allen Vorhaben Rücksicht auf Kultur und Umwelt nimmt? 40% aller
Autofahrer würden, einer Umfrage nach, eine autofreie Innenstadt
begrüßen! Ja, worauf warten wir dann noch: Fußgängerzonen mit Ständen und
Märkten, Musik und Unterhaltung können eine triste Innenstadt zum
tagtäglichen kulturellen Ereignis machen. Und Abgase gibt's dann auch
weniger!
Eine "nachhaltige Entwicklung" muß sowohl von der Ökonomie als auch
von der Ökologie und Menschenfreundlichkeit geprägt werden. Wenn das
nicht der Fall ist, schießt das Stadtparlament ein Eigentor.
"Verkaufen die Erwachsen unsere Zukunft?" - "Ja". Denn alles, was die
derzeitige Erwachsenenwelt, die alles weiß und sonst nichts, tut,
verändert die Umwelt fast ausschließlich negativ und zerstört damit
die Zukunft - die Zukunft ihrer eigenen Kinder! Und eine ökologische
Trendwende in den Köpfen der Bevölkerung ist leider noch nicht
in Sicht...?
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